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19. Juni 2018

VRV 2015 - Bewertungsvereinfachung


Von Dr. Klaus Kandler und Prof. Dr. Helmut Schuchter.

Die Vermögensrechnung ist in Vermögen, Sonderposten erhaltene Investitionszuschüsse, Fremdmittel und Nettovermögen (Ausgleichsposten) zu gliedern. Beim Vermögen wird dann zwischen langfristigen und kurzfristigen (innerhalb eines Jahres verbraucht oder in liquide Mittel umgewandelt) Vermögen unterschieden. Zum langfristigen Vermögen gehören Finanzanlagen, Beteiligungen, langfristige Forderungen, Sachanlagen (materielle Posten, die erwartungsgemäß länger als ein Finanzjahr genutzt werden) und immaterielle Vermögenswerte. Für die Eröffnungsbilanz zum 1.1.2020 werden jetzt schon und laufend die Sachanlagen erfasst und bewertet, wobei bei den beweglichen Sachanlagen, in der VRV 2015 als Amts-, Betriebs- und Geschäftsausstattung bezeichnet, Bewertungsvereinfachungen möglich sind.


Der Grundsatz der Einzelbewertung

Jeder Vermögenswert (aktiv- und passivseitig) ist grundsätzlich für sich einzeln zu erfassen und zu bewerten[1]. Für die Eröffnungsbilanz sind die vorhandenen Vermögenswerte einzeln und im Anlageverzeichnis[2] zu erfassen und in die Vermögensrechnung aufzunehmen bzw. überzuleiten[3]. Sind vorhandene Sachanlagen bereits vollständig abgeschrieben, so sind sie beim erstmaligen Ansatz im Anlageverzeichnis aufzunehmen und bis zu ihrem Ausscheiden mit dem Wert Null anzusetzen[4].


Was ist ein Festwert?

Für bewegliche Güter kann jedoch aus Zwecken der Vereinfachung ein Festwertverfahren angewendet werden[5]. Das Festwertverfahren ist eine vereinfachte Bewertung und kann angewandt werden sofern

  • die jährlichen Zukäufe etwa dem gebrauchsbedingten Verschleiß und Abgang entsprechen,
  • der Gesamtwert der festbewerteten Vermögensgegenstände von nachrangiger Bedeutung für die Gemeinde ist und
  • der vorhandene Bestand geringen Veränderungen in Größe, Wert und Zusammensetzung unterliegt.

Bei Erfüllung dieser Voraussetzung wird aufgrund einer einmaligen Bestandsaufnahme ein Festwert ermittelt, der in der Folge gleichbleibend in der Vermögensrechnung ausgewiesen wird, solange keine wesentlichen Änderungen des mengenmäßigen Bestandes eintreten. Zukäufe werden unmittelbar aufwandswirksam verbucht. In weiterer Folge kann eine Anpassung des Festwertes in der Vermögensrechnung aufgrund von Mengen-, oder Preisänderungen erforderlich sein. Ein solcher Anpassungsbedarf ist in regelmäßigen Abständen zu prüfen. Häufige Anwendungsfälle für die Festbewertung sind beispielsweise Wäsche oder Geschirr im Kindergarten, Gerüstteile im Bauhof, Leergebinde, Paletten, Kleinmaterialien oder Montagesätze[6].


Darf man gleiche Amtsausstattung zusammenfassen?

Willst du oder musst du? In diesem Sinn ist zwischen Sachgesamtheiten und Gruppenbewertung zu unterscheiden.

Sachgesamtheit: Wirtschaftsgüter, die aus Teilen bestehen, sind als einheitlicher Vermögenswert zu erfassen, wenn sie nach ihrem wirtschaftlichen Zweck oder nach der Verkehrsauffassung eine Einheit bilden (Sachgesamtheit)[7].

Beispiel 1

Die Gemeinde hat den Veranstaltungssaal neu bestuhlt; insgesamt wurden 200 Stühle angeschafft, wobei der einzelne Stuhl € 150.- gekostet hat. Obwohl der einzelne Stuhl weniger als € 400,00 kostet, bilden die Stühle im Veranstaltungssaal eine Einheit. Die Stuhlgruppe ist als ein Vermögenswert zu erfassen.

Gruppenbewertung: Gegenstände mit gleicher Nutzungsdauer können zu einer Sachanlage zusammengefasst werden, wenn diese üblicherweise zusammen genutzt werden[8].

Beispiel 2

Die Gemeinde hat für die Hauptschule 20 EDV-Stationen für den EDV-Schulungsraum angeschafft; jede Station besteht aus PC (€ 500,-), Drucker (€ 200,-) und Maus (€ 35,-). EDV-Geräte wie PC und Drucker sind keine einheitlichen Vermögenswerte und damit im Sinne der Einzelbewertung getrennte Vermögensgegenstände. Während die PC jedenfalls zu aktivieren sind, könnten Drucker und Mäuse als geringwertige Wirtschaftsgüter sofort als Aufwand erfasst werden. Alle EDV-Stationen können aber auch als eine Gruppe „EDV-Geräte Hauptschule“ aktiviert werden.

Wir empfehlen bei der Bildung von Sachgesamtheiten bzw. Gruppenbewertungen zurückhaltend zu sein und die Vermögenswerte grundsätzlich einzeln zu erfassen und bewerteten (am Beispiel eines Klassenzimmers somit jeder Stuhl und jeder Tisch). Grund hierfür ist, dass diese der Inventarisierung entgegenstehen, da Sachgesamtheiten oder zusammengefasste Sachanlagen von beweglichen Gütern nur inventarisiert werden können, wenn neben dem Anlageverzeichnis ein gesondertes Inventarverzeichnis geführt wird, was einen höheren Verwaltungsaufwand mit sich bringt[9].


Quellen:

[1] § 19 Abs 3 VRV [2] Anlage 6g [3] § 38 Abs 2 VRV [4] § 38 Abs 4 VRV [5] § 19 Abs 3 VRV [6] EB zu § 19 Abs 3 VRV idF Novelle 2018 mit Hinweis auf § 209 UGB; Verwaltungspraxis des BMF dazu in Rz 2279 EStR [7] VwGH 30.1.2014, 2011/15/0084 zu Baugerüst; VwGH 20.11.1964, 1671/63 zu Theaterbestuhlung; Rz 3900 EStR, wonach eine einheitliche Möbelgarnitur, die die wesentliche Einrichtung eines Zimmers bildet, nicht auf einzelne Wirtschaftsgüter aufgeteilt werden kann [8] § 19 Abs 3 VRV; in den EB wird als Beispiel irrtümlich die Bestuhlung eines Klassenzimmers angeführt, obwohl es sich dabei um eine zwingende Sachgesamtheit handelt (siehe FN 7 zu Rz 3900 EStR) [9] ausführlich Kandler/Schuchter, Leitfaden zur Ersterfassung und -bewertung des Anlagevermögens, Kap. 3.6 bis 3.9.